Anja Wanninger

Anja Wanninger, ehemalige Schnittdirektrice im Bridal Concept Store von „Kaviar Gauche“ in Berlin (2021 bis Anfang 2023; jetzt Designassistentin bei abricot coco Berlin) machte für uns den Stresstest: Welche Ausbildungsinhalte aus ihrer Zeit an der Modefachschule Sigmaringen nützen ihr im Job und wo hätte sie gern noch mehr gelernt?


Modefachschule Sigmaringen: Anja, Du hast 2020 an der Modefachschule Sigmaringen als staatlich anerkannte Modedesignerin und als Maßschneiderin abgeschlossen und anschließend ebenfalls an der Modefachschule und in Zusammenarbeit mit Bildungsakademie der Handwerkskammer Reutlingen noch den Meisterbrief gemacht. Wie kommen Dir diese Abschlüsse jetzt in deiner Arbeit als Schnittdirektrice beim Label „Kaviar Gauche“ zugute?

Anja Wanninger: Als Schnittdirektrice bei Kaviar Gauche betreue ich Bräute im Store in Berlin dabei, das zu ihrer Individualität passende Traumkleid zum finden – also ein Modell aus unserer Auswahl, das dann auf den Körper zugeschnitten wird. Hauptsächlich erstelle ich die Schnitte für diese Kleider, erteile Aufträge an die Schneiderei und begleite überhaupt den kompletten Herstellungsprozess. Ich betreue die Anprobe und bin genau so lange zuständig, bis das Kleid eben passt und von der Kundin mit nachhause genommen werden kann.

Schnell mal ein Kleid mitnehmen geht also gar nicht?

Theoretisch schon. In den seltensten Fällen aber passt das Wunschkleid, das als Modell schon bei uns im Store hängt ganz perfekt. Bridal Haute Couture ist eben Maßarbeit. Schließlich müssen eigene Wünsche und Vorstellungen mit der tatsächlichen Machbarkeit zusammengebracht werden, etwa was die Stoffauswahl betrifft. Für bestimmte Modelle eignet sich einfach nicht jeder Stoff, den sich eine Kundin womöglich wünscht. Und einige Modelle sind tatsächlich eher für bestimmte Figurtypen gemacht, stehen diesen also wirklich gut. In der Beratung brauche ich daher sowohl Einfühlungsvermögen, als auch Hintergrundwissen wie etwa das zur Bestimmung eines Figurtyps oder auch Wissen über Schnitttechniken oder wie gesagt in Sachen Materialkunde. Genau darauf wird an der Modefachschule großen Wert gelegt. In der Ausbildung empfand ich diesen hohen Anspruch oft als sehr anstrengend. Aber jetzt im Job merke ich wie wichtig genau das war. (lacht)

Worauf sollte man bei einem Brautkleid beispielsweise achten?

Bei Kaviar Gauche arbeiten wir mit Konfektionsgrößen, die wir auf Maß abändern. Die Änderung muss so vorgenommen werden, dass das Kleid wie gesagt zum Figurtyp passt und dass es vor allem auch angenehm zu tragen ist. Es bringt zum Beispiel nichts die Taille zu eng anzulegen, weil die Kundin dann am schönsten Tag ihres Lebens garantiert keine Freude an ihrem Kleid hat. Sie würde sich kaum bewegen können und sich eingeengt fühlen. Im schlimmsten Fall könnte sogar eine Naht oder ein Reißverschluss platzen.

Was hat dich im Hinblick auf deine jetzigen Erfahrungen im Beruf in der Ausbildung an der Modefachschule
gefehlt?

Wir haben uns in der Ausbildung sowie im Meisterkurs zwar ausführlich mit dem Gradieren von Konfektionsgrößen beschäftigt, aber das könnte noch intensiver betrieben werden. Ich finde es außerdem auch wichtig, möglichst viele verschiedene Grafikprogramme zu erlernen. Denn die Labels arbeiten einfach mit verschiedenen Programmen. Und noch ein Tipp: Wenn man im gehobenen Modebusiness Fuß fassen will, sollte man Sprachen wie Englisch, Französisch und mittlerweile auch Chinesisch lernen, so intensiv es nur geht! Neben den allgemeinen Konversationskenntnissen vor allem die Fashion-Fachbegriffe – für das Gespräch mit Kunden und Kundinnen genauso wie für den fachlichen Austausch mit Menschen aus der Branche.

Du betreibst neben deiner Arbeit bei Kaviar Gauche auch dein eigenes Label „fashion labor Anja Wanniger“, das in eine ganz andere Richtung geht. In welche genau?

Ich biete individuelle maßgeschneiderte Kleidung an, verfolge da aber meine ganz eigene Linie. Dabei berücksichtige ich auch Aspekte der Nachhaltigkeit oder gehe künstlerische Kooperationen ein. Beispiele dafür ist meine auf den Designers’ Open in Leipzig präsentierte nachhaltige Kollektion „Work“ oder auch schon mal so ausgefallene Aufträge wie gefaltete Papierkleider, die ich für einen Falzmaschinenhersteller designt und ausgeführt habe. Aktuell arbeite ich in Kooperation mit einer Autorin an einer Linie mit Hoodies, auf die literarische Zitate gedruckt sind. An Ideen mangelt es mir nicht. Aber ich habe gelernt – auch aus der Erfahrung in meiner Zeit bei einem nachhaltigen Label, bei dem ich vor Kaviar Gauche beschäftigt war –, dass es neben der Individualität und Qualität des Designs einen langen Atem braucht. Und vor allem auch eine ausreichend finanzielle Basis. Nur so kann man sich im Fashionbusiness mit einem eigenen Label etablieren. Und es so voranbringen, dass es sich letztendlich finanziell trägt.

Anja Wanninger ist seit August 2021 Schnittdirektrice im Bridal Concept Store von „Kaviar Gauche“ in Berlin. Das Interview mit ihr führte die Journalistin Karin Kontny.

© Fotos: Michael Oertel/ Kaviar Gauche
Foto 1-4 Kaviar Gauche
Papierkleid: © Anja Wanniger


Über das Label „Kaviar Gauche“

Der Begriff „Gauche Kaviar“ wurde vom französischen Schriftsteller Jean-Paul Sartre geprägt. Verwendet wurde er für den französischen Jetset, der sich mit den Attributen der 1968er-Bewegung identifizierte. Alexandra Roehler und Johanna Kühl, Chefdesignerinnen des Labels „Kaviar Gauche“ mit Arbeitserfahrung bei Vivienne Westwood und Martine Sitbon, haben sich diesen Begriff auf ihre Art zueigen gemacht. Das Designerinnen-Duo, das Kaviar Gauche 2004 ins Leben rief, gestaltete seine erste Fashion Show im Stil der 1968er-Bewegung als eine Art Guerilla-Projekt in der Pariser Designmeile St. Honoré. Sie mieteten während der Pariser Fashion Week im März ein Apartment im vierten Stock und zeigten dort die Kollektion, die den Grundstein für ihre internationale Bekanntheit legte. Zur Show waren natürlich auch internationale Einkäufer geladen.

Kaviar Gauche unterhält neben dem Bridal Concept Store in Berlin mittlerweile zwei weitere in München und Düsseldorf.

 

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