An der Modefachschule Sigmaringen gehören Praxiserfahrungen in der Fashionbranche zum Lernen dazu. Unsere Schülerin Edith Berndt, im 2. Ausbildungsjahr als Modedesignerin und Maßschneiderin, hat ihr Praktikum beim Berliner Label „Auf Augenhöhe“ absolviert. Dieses hat sich auf Mode für kleinwüchsige Menschen spezialisiert hat. Im Interview erzählt Edith, warum sie genau dort arbeiten wollte. Und gibt dabei ganz persönliche Einblicke – auch in ihre Fashion-Vision.
Modefachschule Sigmaringen: Edith, Du hast ein Praktikum beim Label „Auf Augenhöhe“ gemacht. Wie bist Du auf dieses Ready-to-wear-Label für kleinwüchsige Menschen gestoßen?
Edith Berndt: Meine Praktikumswahl hat auch etwas mit meiner ganz persönlichen Story zu tun. Meine Schwester und ich sind beide selbst kleinwüchsig und seit vielen Jahren wie unsere Adoptiveltern im VKM (Bundesselbsthilfeverband Kleinwüchsiger Menschen) und im BKMF (Bundesverband und ihrer Familien) engagiert. Über diese Vereine lernte ich auch Sema Gedik kennen, die Gründerin des Labels. Sie hat selbst eine kleinwüchsige Cousine und erfuhr von ihr, wie schwierig es für Menschen mit einem geringen Körperlängenwachstum ist, Kleidung zu finden, die auf Anhieb passt und nicht erst vielfach geändert werden muss. Sema nahm das und die Begegnung mit zahlreichen anderen kleinwüchsigen Menschen zum Anlass, eigene Forschungen in Sachen Konfektionsgröße zu betreiben und dadurch eine Community aufzubauen.
Das Label „Auf Augenhöhe“ existiert offiziell seit 2017, also noch gar nicht so lange. Es bietet Kleidung in Einheitsgrößen für kleinwüchsige Menschen an, die auf Basis der von Dir eben erwähnten Forschungen von Sema Gedik entstanden ist. Du hast Ende 2022 dein Praktikum dort gemacht. Wie lange dauerte es und was waren deine Aufgaben?
Bevor ich mich dazu entschieden habe, mein Praktikum bei „Auf Augenhöhe“ zu machen, habe ich schon einige Zeit für das Label gemodelt. Sema hatte mich persönlich dafür angefragt. Durch die Shootings kam ich überhaupt erst auf die Idee, meinen Traum Modedesignerin zu werden wirklich zu verfolgen und mich bei der Modefachschule Sigmaringen zu beweben. Nachdem ich angenommen wurde, habe ich davon erfahren, dass Praktikas Teil der Ausbildung sind. Mir war sofort klar, dass ich mein erstes zweiwöchiges Praktikum dort machen wollte. Und Selma hat glücklicherweise auch sofort zugesagt. Aufgrund meiner Erfahrungen und meines bereits erworbenen Wissens im ersten Jahr an der Modefachschule konnte ich sofort das Zuschneiden eines T-Shirts, einer Jacke, eines Jumpsuits und eines Anzugs übernommen. Danach durfte ich sogar eigene Ideen verwirklichen – eine Hose sowie eine Jacke für kleinwüchsige Mädchen beziehungsweise Frauen. Ein besonderer Erfolgsmoment für mich war, dass der von mir erstellte Schnitt für einen sogenannten Fischerhut umgesetzt und dann sogar verkauft wurde.
Wo hast Du denn deine eigene Kleidung gekauft, bevor Du dieses Label kennengelernt hast?
Ich selbst kaufe meine Klamotten nach wie vor noch oft in ganz normalen Läden und muss dann eben Dinge wie Hosenbein- oder Ärmellänge abändern. Bei Outfits von „Auf Augenhöhe“ ist das nicht nötig. Als ich zum ersten Mal die Klamotten des Labels angezogen habe, hat alles auf Anhieb gepasst. Das ist schon ein ganz anderes Gefühl, wenn man sich in der Umkleidekabine im Spiegel ansieht.
Kannst Du Dir vorstellen, später einmal selbst in die Richtung zu gehen wie „Auf Augenhöhe“?
Mit meiner Ausbildung zur Modedesignerin und Maßschneiderin hätte ich beste Voraussetzungen dafür. Ich weiß nicht nur, wie man Mode entwirft, sondern auch passgenau umsetzt. Aber eigentlich möchte ich einmal Street-Wear-Fashion für alle Menschen anbieten, auch für kleinwüchsige. Inklusive Mode eben, die keine Unterschiede macht – und die sich auf die Besonderheiten anpasst, die jeder Körper hat.
Bildinformationen:
1) Unsere Schülerin Edith Berndt hat schon für das Label „Auf Augenhöhe“ gemodelt, bevor sie dort ihr erstes Praktikum absolvierte. (©pic Edith Berndt/privat/ Fotografin Anna Spindelndreier@anna_spindelndreier)
2) Nicht nur Kleider lassen sich auf die Bedürfnisse kleinwüchsiger Menschen anpassen, sondern auch die Tische im Nähsaal unserer Schule. Extra für Edith haben wir ein Podest gebaut, damit sie ohne Probleme hier arbeiten kann. © Edith Berndt privat