Zum 175. Jubiläum des Turnvereins 1846 Bingen e. V. – einem der ältesten Turn- und Sportvereine Deutschlands – interpretieren angehende ModedesignerInnen der Modefachschule Sigmaringen den Begriff Sportmode neu. Und entwickelten etwa aus ausrangierten Turn- und Trainingsanzügen, aus Hula-Hoop-Reifen oder Turnmatten des Vereins überraschende Outfits.
Sigmaringen/Bingen (kok). Älterwerden gehört zum Leben dazu. Auch zu dem eines Turn- und Sportvereins. Auf genau 175 Jahre bringt es in diesem Jahr der im Landkreis Sigmaringen gelegene TV 1846 Bingen e.V., der einer der ältesten Turn- und Sportvereinen in Deutschland ist. Ein Grund zum Feiern also. Und um zu zeigen, dass bisweilen auch Altes ganz schön frisch – wenn nicht gar komplett neu – daherkommen kann. Bester Beweis dafür war am vergangenen Samstagabend nicht nur die Fitness der Mitglieder aus allen Altersklassen, die im Rahmen der Jubiläums-Sportgala in der Turnhalle Bingen ihr Können präsentierten, sondern vor allem auch eine ganz ungewöhnliche Modenschau. Sechzehn angehende ModedesignerInnen der Modefachschule Sigmaringen präsentierten dabei überraschende Outfits, die sie aus den Materialien der vom Verein ausrangierten Turn- und Trainingsanzügen, aus Hula-Hoop-Reifen oder aus verschiedenen Turnmatten und vielem mehr entworfen hatten.
Dass die ausgedienten Turngeräte und Sportoutfits zu schade zum Wegwerfen waren, hatte der Verein bereits geahnt, als er sie dem privaten staatlich anerkannten Berufskolleg für Mode und Design anbot, um daraus vielleicht noch irgendetwas zu machen. Dass sich aber Rosshaarmatten, ausgeleierte Jogginghosen oder alte Patches mit dem Vereinswappen auch in Couture-Kleider, Corsagen oder edle Spitzenhosen verwandeln können, überraschte die rund 350 anwesenden Jubiläumsgäste tatsächlich. Besonders hervorgehoben wurde vom Vorstand des TV Bingen ein Blazer aus einer blauen Turnmatte (Design und Ausarbeitung: Emilie Gretzmeier und Laurin Borcherding aus dem 3. Jahrgang). Das Publikum attestierte zwar nicht allen Outfits Alltags- oder Sporttauglichkeit, war aber begeistert, in welch neuem Look das alte Equipment sich präsentierte. Manch kreatives Outfit – etwa das farbenfrohe Ensemble der 24-jährigen Ciel Celeste Kirsten aus alten Stretch-Turnanzügen – hätte den perfekten Eyecatcher für die auf die Gala folgende Party abgegeben.
Alle bei der Show gezeigten Outfits aus den teils ungewöhnlichen Ausgangsmaterialien waren in einem auf mehrere Wochen angelegten Modul von Annette Hecht-Bauer und Jutta Erb entstanden. Die beiden Dozentinnen der Modefachschule Sigmaringen haben in der Vergangenheit schon mehrere sogenannte Up- und Recycling-Workshops angeboten, in denen es um den nachhaltigen und experimentellen Umgang mit bereits vorhandenen Ressourcen geht. Die Teilnehmenden der Workshops lernen auf diese Weise nicht nur innovative Ideen zu entwickeln. Sondern werden auch dazu aufgefordert, neue Verarbeitungstechniken auf Basis des bereits Erlernten umzusetzen und eventuelle Probleme kreativ zu lösen. „Stretch-Stoffe, wie sie bei den alten Turnanzügen verwendet wurden, die die Basis für mein Outfit bildeten, sind zwar angenehm zu tragen. Aber sie sind schwer zu vernähen, weil sie unterschiedlich dehnbar und rutschig sind“, beschreibt die angehende Modedesignerin Ciel Celeste Kirsten aus dem 1. Jahrgang ihre Schwierigkeiten mit den zur Verfügung gestellten Materialien des TV Bingen. „Viele Ideen, die ich zunächst hatte, musste ich während der Umsetzung verwerfen und dann improvisieren“, so die 24-Jährige. Ähnliche Erfahrungen machten Emilie Gretzmeier (22) und Laurin Borcherding (22), die sich ganz bewusst vorgenommen hatten, aus dem ungewohnten Material einer blauen Turnmatte einen regulären und klassisch geschnittenen Blazer zu designen: „Das Material ließ sich zwar gut nähen, war aber aufgrund der Dicke und Griffigkeit schwer regulär zu verarbeiten.“ Um die Bewegungsfreiheit beizubehalten, nähten sie darum die Ärmel beispielsweise nur stellenweise ein. Weil sich Rundungen nicht einfach ausbügeln ließen, betonten sie absichtlich die eher kantige Silhouette mit den Lederecken der ausgedienten Turnunterlage, die kurzerhand zu Schulterpolstern umfunktioniert wurden.
Dass aus genau solchen Ansätzen des Prozesslernens beeindruckende und zukunftsweisende Ergebnisse entstehen können, demonstriert die Modefachschule Sigmaringen immer wieder durch ähnlich orientierte Kooperationen. So arbeitete die Schule beispielsweise bereits mit Europas größtem Kulturzentrum – dem Gasteig München – oder mit namhaften Modelabels zusammen. Sie beweist damit nicht nur, dass Kreativität und die daraus resultierende Flexibilität zur beruflichen Kompetenz von ModedesignerInnen gehören. Sondern vor allem nützliche Soft Skills zur Problemlösung darstellen können, die auf die vielfältigen Anforderungen des Lebens in einer globalisierten Welt vorbereiten.
Bildinformationen:
1) Aus alt wird neu: Bei der Sportgala zum 175. Jubiläum des Turnvereins 1846 Bingen e. V. feierte das Publikum die bei einer Fashionshow der Modefachschule Sigmaringen präsentierten Outfits, die beispielsweise aus ausrangierten Turn- und Trainingsanzügen, aus Hula-Hoop-Reifen oder Turnmatten des Vereins kreiert wurden.
2) Nicht immer lassen sich die neuen Outfits aus den alten Turngeräten und -anzügen des TV Bingen wieder beim Sport tragen. Aber Aufsehen erregen sie – wie etwa dieses Couture-Kleid, das unter anderem aus einem Hula-Hoop-Reifen entstanden ist ( (a) Hula-Hoop-Kleid mit Wappen/ Designteam Vanessa Baur, Sandra Albers und Theda Schmied, 1. Jahrgang) oder das partytaugliche Outfit aus den ehemaligen Turnanzügen des Vereins ((b) Design Ciel Celeste Kirsten, 1. Jahrgang).
3) Besondere Aufmerksamkeit erregte nicht nur beim Vorstand des TV Bingen dieser Blazer aus einer ausgedienten blauen Turnmatte (Design Emilie Gretzmeier und Laurin Borcherding, 3. Jahr), dessen Schulterpolster aus den Lederecken der alten Turnunterlage gemacht sind.
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